Ein kurzer geschichtlicher Abriss zu den Kantoren anlässlich des Leitungswechsels des Dresdner Bachchores ab 1.1.2019

Seit dem Jahr der Einweihung der Martin-Luther-Kirche 1887 gestalten Chöre unsere Gottesdienste und Konzerte in lückenloser Folge. Der erste Kantor, Musikdirektor und Professor Albert Röhmhild (1850 – 1914), gründete 1887 den „Freiwilligen Kirchenchor“, später den „ständigen Kirchenchor“. Die Chöre erreichten in der Folge eine Mitgliederzahl von bis zu 200 Sängerinnen und Sängern. In dieser Blütezeit kirchlichen Lebens hatten die Chöre eine Vielzahl an Betätigungsfeldern. Es fanden neben den regulären Gottesdiensten auch Vespergottesdienste, Familienabende, Liederabende und viele weitere Veranstaltungen statt, in denen die Chöre auftraten. Höhepunkte waren bedeutsame Erstaufführungen, wie z.B. das Requiem b-Moll von A. Dvořák. Durch Röhmhilds Wirken gewann die Martin-Luther-Kirche führende Bedeutung in der Kirchenmusiklandschaft Dresdens. Nach seinem Tode wurde der Chor zu seinem Gedenken „Röhmhildchor“ genannt. 1918 - nach einer Vakanz in den Jahren des 1. Weltkriegs -  übernahm Richard Fricke (1877 - 1957) das Kantorenamt. Auch unter ihm erklangen zahlreiche bedeutende chorsinfonische Werke, außerdem trat er als Komponist und Herausgeber in Erscheinung.

1946 trat Erich Schneider (1892 - 1979) die Nachfolge an. Seit 1925 Kantor (ab 1935 Domkantor) der Frauenkirche musste er deren Zerstörung miterleben und nahm den nun heimatlos gewordenen Domchor mit an die Martin-Luther-Kirche. Er vereinigte ihn mit dem Röhmhildchor. Sein kompositorisches Schaffen würdigte die Kantorei Dresden-Neustadt in einem Gottesdienst 2017 zum Gedenken des 125. Geburtstages, indem sie zwei seiner Motetten aufführte. Auch im Chorkonzert unserer hinhören-Konzertreihe 2018 erklangen Werke von ihm. Erich Schneider, eine profilierte Dresdner Musikerpersönlichkeit, führte bereits schon ein Jahr nach Ende des 2. Weltkriegs wieder den Elias auf und trug somit zur Rehabilitierung des während der Nazizeit verfemten Mendelssohn bei.
Als vierter Kantor an der Martin-Luther-Kirche trat 1964 Karl Frotscher (1920 - 1991)  sein Amt an. Die Gemeindegliederzahlen sanken, die kirchenmusikalische Arbeit wurde schwieriger. Aber Frotscher konnte den von Rudolf Mauersberger neben dem Kreuzchor  geleiteten „Dresdner Bachchor“ nach Mauersbergers Tod im Jahre 1971 übernehmen. Nun wechselte auch der Probenort des Bachchores von der Kreuzkirche zur Martin-Luther-Kirche. Das Weiterbestehen der oratorischen Tradition an der MLK war gesichert. Beide Chöre – Röhmhildchor und Bachchor – sangen fortan zusammen. DDR-Erstaufführungen wie die „Große Messe“ von Albert Becker oder das „Requiem von Felix Draeseke 1984 bzw. 1985 konnten so realisiert werden.
Aber auch sein legendärer Ruf als Orgellehrer wirkt bis in die heutige Zeit. Viele noch tätige Organisten und Kirchenmusiker erinnern sich gut an seinen Orgelunterricht.
Frotscher wirkte an der MLK bis zu seinem Tode 1991.
In den nun folgenden drei Jahren der Vakanz übernahm u.a. der heute als Rektor der Hochschule für Kirchenmusik in Halle tätige Prof. Peter Kopp, neben seinem Studium die Bachchorleitung.
Im Jahre 1994 trat Markus Leidenberger (geb. 1958) die Stelle als Kantor der Martin-Luther-Kirche und sein Amt als Kirchenmusikdirektor des Kirchenbezirks Dresden Nord an, das inzwischen mit dieser Stelle verknüpft war. Er achtete die aus der Tradition gewachsene Programmatik des Oratorienchores, der mittlerweile drei Chöre vereinte und richtete sein Augenmerk ebenfalls auch auf unbekanntere, selten aufgeführte Werke und auf Uraufführungen vornehmlich Dresdner Komponisten.
Zu nennen wären hier die Werke von Günter Neubert: „Wo der Herr nicht das Haus baut“ (UA 2006), Manfred Weiss „Te Deum“ (UA 2010), Karoline Schulz „In einer dunklen Nacht“ (UA 2011) und Matthias Drude „Wir können mit dir unser Leben wagen“ (UA 2017). Daneben weist sein eigenes kompositorisches Schaffen eine umfangreiche Sammlung an Werken auf, die Interessierten in unserer Bibliothek einsehbar sind und die auf viele weitere Aufführungen warten. Darunter sind Werke für Sopran und Orgel, Motetten für Chor, Werke für Posaunenchor und Lieder, die auch in unserem neuen Gesangbuch „Singt von Hoffnung“ (bspw. unter Nr. 3, 19, 52) zu finden sind. Außerdem komponiert er jedes Jahr einen neuen Kanon zur Jahreslosung. Seine Kompositionen fanden vielfach Gelegenheit, in Gottesdiensten und Konzerten gehört zu werden.
Das Kirchspiel und speziell die Martin-Luther-Kirchengemeinde möchten ihm für den Reichtum seines kirchenmusikalischen Schaffens und im Besonderen für sechs Jahre ehrenamtliche Bachchorleitung danken.

Elke Voigt
Kantorin an der Martin-Luther-Kirche
im Kirchspiel Dresden-Neustadt

Steckbrief Dresdner Bachchor

  • 1911: von Kreuzkantor Prof. D. Otto Richter wird der „Bach-Verein“ ins Leben gerufen, ca. 250 Mitglieder, Aufführungen an der Kreuzkirche in Zusammenarbeit mit dem Kreuzchor
  • 1930: Rudolf Mauersberger übernimmt den Bach-Verein
  • nach 1945 und zur DDR-Zeit wird das Vereinswesen abgeschafft. Der Chor nennt sich ab jetzt „Dresdner Bachchor“
  • 1947 ist das „Oratorienjahr“: es werden acht Oratorien aufgeführt, der Chor hat nun ca. 70 – 80 Mitglieder, er ist weiterhin Stütze des Kreuzchores
  • 1991: Karl Frotscher übernimmt den Bachchor nach dem Tode Mauersbergers und verbindet den Röhmhildchor mit dem Bachchor. Der Chor verlässt seinen Proben- und Aufführungsort Kreuzkirche und setzt sein Wirken in der Martin-Luther-Kirche fort. Es finden viele Aufführungen von übergemeindlicher Bedeutung statt.
  • 1991-1994: die Kantorenstelle ist vakant, Bachchorleitung zur Überbrückung durch Gottfried Fischer, Peter Kopp (hauptsächl. Leitung in der Zeit)  und Hans-Joachim Schwinger
  • 1994 - 2013: Markus Leidenberger ist Kantor an der Martin-Luther-Kirche und Leiter des Dresdner Bachchores bis 2018.
  • 2013: Elke Voigt, seit 2004 kirchenmusikalische Assistentin, wird hauptamtliche Kantorin an der Martin-Luther-Kirche im Kirchspiel Dresden-Neustadt und leitet ab Januar 2019 den Dresdner Bachchor